Deutsch ist out? Verliert die deutsche Sprache an Bedeutung?
Dr. Siegfried Eisenmann, Direktor des Landesinstituts für Schulqualität und Lehrerbildung Sachsen-Anhalt (LISA), Hans-Joachim Solms, Professor für Geschichte der deutschen Sprache und älteren deutschen Literatur an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und Vorstandsmitglied im Verein WortWerkWittenberg, sowie Walter Krämer, Professor für Wirtschafts- und Sozialstatistik an der Technischen Universität Dortmund und Vorsitzender des Vereins Deutsche Sprache (VDS), gingen am Tag deutschen Sprache in der Festung Mark Magdeburg in einem von Dagmar Röse (MDR Sachsen-Anhalt) moderierten Podiumsgespräch den Fragen nach, ob und in welchem Maße die deutsche Sprache an Bedeutung verliert.
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Prof. Walter Krämer, Prof. Hans-Joachim Solms, Dagmar Röse und Dr. Siegfried Eisenmann (v.l.n.r.) |
Darum entspann sich ein lebhafter Austausch von Argumenten. Solms bedauerte, dass in vielen Lebensbereichen die Anglizismen dominieren würden: „Betrüblich ist, dass die Menschen unseres Landes in einer Sprache angesprochen werden, die nicht die eigene ist. Man fühlt sich so fremd im eigenen Land. Es berührt die Menschen in ihrer Würde, da sie ihre Identität und Zugehörigkeit nicht wiederfinden. Das ist eine Form der kulturellen Enteignung.“ Der Germanist fordert, dass man es ernst nehmen müsse, wenn sich die Menschen entsprechend äußern. Denn wenn nicht energisch dagegen vorgegangen wird, schließt Solms nicht aus, dass dies zu einer Verdrossenheit gegenüber irgendeiner Art von Obrigkeit führen kann. Diesen Gedanken „der Sprache der Herrschenden“ griff Krämer auf, denn die Zeit sei überreif, bei allen Verantwortlichen in Politik, Kultur und Wirtschaft die Sensibilität zu wecken, die Menschen mit ihrer eigenen Sprache, die ihre Identität ganz wesentlich ausmacht, anzusprechen.
Die Hilflosigkeit brachte auch eine Besucherin zum Ausdruck: „Wir sind doch nur normale Bürger, uns muss doch geholfen werden, das können doch nur die Politiker machen?!“ Ein anderer Gast konstatierte: „Die Alltagssprache wird durch technische Geräte und Abkürzungen abstrakter und unverständlicher, sie verarmt und wird weniger bildhaft, sie wird unsinnlicher, denn die Nuancen der Ausdruckskraft verschwinden.“ Krämer brachte es auf den Punkt: „Die deutsche Sprache muss als Werkzeug zur Beschreibung des 21. Jahrhunderts praktikabel bleiben.“ So bekräftigte der VDS-Vorsitzende erneut die Forderung, Deutsch als Landessprache, neben Bundeshauptstadt und Bundesflagge, im Artikel 22 des Grundgesetzes zu verankern: „Was in vielen Staaten der Welt, auch in vielen EU-Mitgliedsländern, das Selbstverständlichste ist, wird leider seit Jahren in Deutschland politisch verhindert.“
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Besonderes Augenmerk ist auch darauf zu richten, jungen Menschen, die in eine globalisierte Welt hineinwachsen, die Schönheit und den Reichtum der deutschen Sprache zu vermitteln. Hier fordert Eisenmann neben dem fundierten Deutschunterricht mehr Emotionen mit den Schwerpunkten Musik und Theater, um die Wechselwirkung zwischen Kultur und Bildung zu fördern und die deutsche Sprache in den Mittelpunkt zu rücken. Hier schätzt Eisenmann zuversichtlich ein: „In der Musik und in freien Kunstprojekten fand in den vergangenen Jahren eine Hinwendung zur regionalen Identität, zum Deutschen, statt. Gerade junge Menschen nutzen diese musikalischen Ausdrucksmöglichkeiten.“ Diesen Trend belegen auch die Verkaufszahlen an Tonträgern: Neun deutschsingende Interpreten sind in der Hitliste der meistverkauften Titel des ersten Halbjahres vertreten. Leider ist dieser Trend in den Radioprogrammen der öffentlich-rechtlichen Sender nicht hörbar. Hier dudeln überwiegend englische Songs über den Äther.
© Text und Fotos: Jörg Bönisch