7./8. März 2014: „…dass man deutsch mit ihnen redet“
Veranstaltung des WortWerkWittenberg e. V. in der Evangelischen Akademie Wittenberg • VDS-Vorsitzender Walter Krämer hielt Gastreferat
Die Universitätsprofessoren Gerhard Meiser und Hans-Joachim Solms sind Gründungsmitglieder des Vereins WortWerkWittenberg e. V.
Gerhard Meiser und Hans-Joachim Solms, Professoren an den Indogermanistischen und Germanistischen Instituten der altehrwürdigen Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, hätten auch zu einer wissenschaftlichen Tagung in die Lutherstadt Wittenberg einladen können. Doch die beiden Gründungsmitglieder des Vereins WortWerkWittenberg e. V. haben sich für eine öffentliche Veranstaltung mit interessierten Bürgern in der Evangelischen Akademie Sachsen-Anhalt entschieden. „Uns erschien es viel interessanter, einmal Menschen nach ihrem Verhältnis zur deutschen Sprache zu fragen, deren Worte in weiten Teilen des Landes gehört und gelesen werden und so in der Verantwortung stehen, sich differenziert, angemessen und verständlich auszudrücken“, erläuterte Meiser.
Martin Luther-Denkmal auf dem Marktplatz in Wittenberg
Martin Luthers Forderung, den Leuten „auf das Maul zu sehen, da verstehen sie es denn und merken, daß man deutsch mit ihnen redet“ aus dem Sendbrief vom Dolmetschen, gab den thematischen Rahmen für die zweitägige Veranstaltung Anfang März vor. „Deutsch steht für eine klare Sprache, ohne Umschweife, aufrichtig und einfach. Doch ist es mit der Einfachheit so eine Sache: Einfach reden auch Populisten, das ist geradezu ihr Kennzeichen. Einfach zu sprechen ist also nicht nur eine Frage der sprachlichen Geschicklichkeit, sondern auch ein ethisches Problem. Die hohe Kunst besteht darin, komplexe Dinge einfach, wahrheitsgemäß und verständlich darzustellen“, hob Meiser hervor.
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Friedrich Schorlemmer | | Prof. Wolfgang Böhmer | | Prof. Walter Krämer |
Das taten prominente Vertreter aus Politik, Kirche, Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur und Medien. Der Theologe und Bürgerrechtler Friedrich Schorlemmer knüpfte an das Veranstaltungsmotto an: „Luther verwandelte Sprachmöglichkeiten in Sprachwirklichkeiten. Er reiste, sammelte und beobachtete. Was dabei rauskam, ist mühsam ertüftelt wie spontan inspiriert. Nicht die Sprache des Volkes schreibt Luther, sondern aus der Sprache des Volkes hat er mit einem genialischen Gespür ausgewählt und zusammengestellt.“ Prof. Wolfgang Böhmer, früherer Ministerpräsident des Landes Sachsen-Anhalt, vertrat die nüchterne These „Lieber die unbarmherzige Wahrheit als die barmherzige Lüge“. Walter Krämer, Professor für Wirtschafts- und Sozialstatistik an der Technischen Universität Dortmund und Vorsitzender des Vereins Deutsche Sprache, referierte lebhaft über „Sprache als Produktionsfaktor“. „Die Nacktheit unter dem Sprachmantel“ thematisierte sehr ergreifend die Schriftstellerin Kathrin Schmidt. Der Publizist Dr. Hans Christian Meiser mahnte besinnlich das „Sprechen im Schweigen – von der Tugend des Zuhörens“ an. „Es wurden ganz bewusst Beiträger eingeladen, die uns nicht nur intellektuell Vergnügen bereiteten und uns zur Erkenntnis brachten, sondern uns in unserer gesamten Persönlichkeit angesprochen haben. Dabei sind wunderbare Sprachbilder entstanden, es war in dem, was uns vorgetragen wurde, sehr viel Poesie“, fasste Solms zusammen.
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Kathrin Schmidt | | Prof. Hans-Joachim Solms, Prof. Gerhard Meiser, Prof. Wolfgang Böhmer, Dr. Hans Christian Meiser, Prof. Walter Krämer (v.l.n.r.) | | Dr. Hans Christian Meiser |
Es war die erste Veranstaltung des erst Anfang März registrierten WortWerkWittenberg e. V. Zum Ansinnen des Vereins führte Solms aus: „Es geht darum, dass hier in Wittenberg in einer bestimmten Situation ein weltgeschichtlich bewegendes, die Welt in ihrem weiteren Verlauf veränderndes Ereignis stattgefunden hat, das wesentlich durch das Wirken des Wortes entstanden ist. Gemeint ist natürlich das Wirken Martin Luthers und seine grandiose Übersetzung der Bibel und das, was dadurch angestoßen worden ist, nämlich die Reformation.“ Das WortWerkWittenberg will auf die Bedeutung der deutschen Sprache hinweisen und deutlich machen, dass mit ihr zweierlei möglich ist: die nationale und persönliche Identität sowie die Teilhabe an der demokratischen Willensbildung und Entscheidungsfindung.
© Text und Fotos: Jörg Bönisch