Was den Wagnerianern ihr Bayreuth, ist den Sprachfreunden Bad Lauchstädt. So hat sich die Goethestadt im September zum Festspiel der deutschen Sprache fein herausgeputzt. Mit rotem Teppich, vorzüglichen Schauspielern, reichlich Politprominenz und beachtlichem Medienauflauf. Vor allem aber mit einer ganzen Festspielwoche, in der sich alles um die deutsche Sprache und den gepflegten Umgang mit ihr rankte. Für die Besucher gab es Vorträge, Gesprächsrunden, Theateraufführungen, ein fulminantes Eröffnungskonzert mit dem MDR-Sinfonieorchester, eine musikalische Matinée sowie eine gefeierte Opernpremiere mit begleitender Ausstellung. Kammersängerin Prof. Edda Moser, Gründerin und künstlerische Leiterin des Festspiels, ist die Hingabe für die deutsche Sprache innigste Herzensangelegenheit: „Wir haben die Gnade und den Vorzug, die deutschen Dichter in ihrer originalen Köstlichkeit zu lesen, anzuwenden und zu genießen. Den Trost entgegenzunehmen und stark zu sein, wenn uns der Wind der Oberflächlichkeit und Ignoranz entgegenweht.“
Deutsche Dichtkunst stand dann auch im Mittelpunkt der szenischen Lesung mit einer erlesenen Schauspielerriege, angeführt von Sibylle Canonica und Cornelia Froboess. Hinzu gesellten sich Leopold Altenburg, Bernt Hahn, Friedrich Wilhelm Junge und Thomas Stecher, die im ersten Teil des Abends leidenschaftlich Gedichte aus drei Jahrhunderten rezitierten. Hugo von Hoffmansthals lyrisches Drama „Der Tor und der Tod“ führte dem Publikum im zweiten Teil eindringlich die Endlichkeit des menschlichen Seins, die Fragen nach dem Sinn des Lebens sowie die Reue über verpasste Chancen vor Augen. Um moralische Aspekte ging es auch im von Dr. Manfred Osten moderierten literarisch-philosophischen Gespräch. Dabei erörterten Sachsen-Anhalts Ministerpräsident, Dr. Reiner Haseloff, und der Georg-Büchner-Preisträger Martin Mosebach die Zukunft der deutschen Sprache im Zeitalter der Algorithmen.
Mit Bravorufen und stürmischem Beifall ging die Festspielwoche im Goethe-Theater zu Ende. Dank großzügiger finanzieller Unterstützung durch die Bundesbeauftragte für Kultur und Medien konnte erstmals eine Oper aufgeführt werden. Wolfgang Amadeus Mozarts Zauberflöte verzückte das Publikum. Für das Festspiel wurde die nahezu in Vergessenheit geratene, von Johann Wolfgang von Goethe 1794 für das Weimarer Hof- und Lauchstädter Kurtheater besorgte Fassung des deutschen Singspiels rekonstruiert. Stimmgewaltig dargeboten und opulent ausstaffiert, war der von Igor Folwill inszenierte Dreiakter ein wohltuender Hochgenuss für die Sinne. „Dankbarkeit ist die Erinnerung des Herzens“, zitierte Edda Moser den französischen Geistlichen Jean-Baptiste Massillon. So darf man in der Seele berührt ins Schwärmen kommen. Und sich darauf freuen, wenn es vom 12. bis 18. Oktober 2020 wieder heißt: „Vorhang auf für das 15. Festspiel der deutschen Sprache“.
Text und Fotos: Jörg Bönisch