Corona-Virus befällt deutsche Sprache

Warum nicht auf Deutsch? | Foto: Oberholster Venita - pixabay.com

Die anhaltende „Corona-Krise“ zeigt einmal mehr sehr deutlich: Die deutsche Sprache taugt offensichtlich nicht mehr dazu, die moderne Welt in der uns eigenen und verständlichen Landessprache begreiflich zu machen. Stattdessen tönt es landauf, landab seit Wochen aus vollen Rohren: home office, social distancing, lockdown, shutdown, home schooling mit digital learning und blended learning. Auch die beitragsfinanzierten öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten der ARD und das ZDF verwenden diese unverständlichen Formulierungen, anstatt die Welt so zu erklären, dass die Zuschauer, Hörer und Leser die Nachrichten verstehen. Überhaupt spielen Journalisten mit mangelndem Sprachgefühl und -bewusstsein eine unrühmliche Vorreiterrolle. Denn scheinbar bedeutsam klingende Anglizismen stehen hoch in der Gunst derer, die den Menschen verantwortungsvoll bei der Einordnung weltpolitischer Zusammenhänge helfen sollten. Doch den meisten ist es wohl egal, welch ein Schindluder da mit der Sprache getrieben wird. Papageienartig wird gleichgültig alles nachgeplappert. Häufig werden die englisch klingenden Begriffe verwendet, ohne zu wissen, was sie bedeuten und wie sie richtig ausgesprochen oder geschrieben werden.

Doch es gibt sie, die verantwortungsvollen Sprachfreunde, die sich Galliern gleich gegen die mediale Übermacht stellen. Zu denen gehören Eva-Maria Oelschlegel, Leiterin der VDS-Region 01 (Dresden/Riesa), und Claus Günther Maas, er leitet die VDS-Region 52 (Aachen) sowie die VDS-Arbeitsgruppe „Deutsch in der Schule“. Beide äußerten gegenüber den regionalen ARD-Anstalten MDR (Dresden) und WDR (Köln) ihren Unmut über das Wortungetüm home schooling. Ein MDR-Redakteur entgegnete auf die Kritik, dass es keinen entsprechenden deutschen Begriff dafür gäbe. Wie oft haben Freunde der deutschen Sprache dieses vermeintliche Totschlagargument schon gehört? Es sind immer wieder die gleichen phantasielosen Plattitüden, die ihnen entgegnet werden. Das wollte Oelschlegel nicht auf sich beruhen lassen und startete im April unter den VDS-Mitgliedern ihrer Region und bei den VDS-Regionalleitern eine Umfrage, wie sich home schooling durch eine treffende und griffige deutsche Benennung ersetzen lässt.

Es geht auch auf Deutsch! | Foto: Gerd Altmann - pixabay.com

Innerhalb einer Woche gingen 63 Rückmeldungen ein. „Ich bin angenehm überrascht und freue mich sehr, dass meine Abfrage eine so große Resonanz unter den VDS-Mitgliedern gefunden hat. Offensichtlich habe ich in der derzeitigen Situation den Nerv der Sprachfreunde getroffen“, bewertet Oelschlegel die Ergebnisse. Die häufigsten Nennungen entfielen auf Hausunterricht (19), Fernunterricht (16) und Heimunterricht (12). Für Maas ist Fernunterricht der Favorit: „Der Begriff trifft die Sache meines Erachtens auf den Kopf – er macht deutlich, worum es geht und er verdeutlicht zudem die Problematik, die in dieser Schulform liegt: die Entfernung der Beteiligten aus der unmittelbaren persönlichen Nähe.“ Dass es noch ganz andere Bezeichnungen geben kann, zeigt der sächsische Kultusminister Christian Piwarz in persönlichen Stellungnahmen und offiziellen Verlautbarungen des Ministeriums: Der CDU-Politiker spricht von Schule zu Hause, Lernzeit zu Hause oder auch Lernen außerhalb des Klassenzimmers.

Sollten Journalisten derartige alternative Formulierungen in ihrer Berichterstattung aufgreifen, wabern sie nur ein paar Stunden durch die Nachrichtenmeldungen. Wenig später werden sie wohl schon wieder als zu piefig empfunden und ganz schnell durch hochtrabend klingendes Kauderwelsch ersetzt. Dennoch zeigt die Aktion der Dresdner Regionalleiterin eindrucksvoll, dass es sehr wohl möglich ist, die moderne Welt in der uns eigenen und verständlichen Landessprache zu beschreiben. Hier drängt sich sogleich der Gedanke an eine zentrale Forderung des Vereins Deutsche Sprache auf: Stünde Deutsch als Sprache der Bundesrepublik im Grundgesetz, wie es in 18 von 27 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union eindeutig geregelt ist, ergäben sich daraus für staatliche Institutionen und Behörden sowie die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten verbindliche Vorgaben. 

Text: Jörg Bönisch