Nachruf auf Prof. Dr. Wolfgang Böhmer

Prof. Dr. Wolfgang Böhmer: Ein Mann des Ausgleichs und der rhetorisch fundierten Tönech Prof. Dr. Wolfgang Böhmer: Ein Mann des Ausgleichs und der rhetorisch fundierten Töne

Am 29. Juni dieses Jahres verstarb unser Ehrenmitglied Prof. Dr. Wolfgang Böhmer im Alter von 89 Jahren in der Lutherstadt Wittenberg. Bevor er 1990 in die Politik wechselte, war er Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe in unterschiedlichen leitenden Positionen an Krankenhäusern. 1983 habilitierte er sich an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Während seiner Wittenberger Zeit beschäftigte er sich umfassend mit der historischen Entwicklung des Gesundheits- und Sozialwesens in der Lutherstadt Wittenberg und war Mitautor von vier Bänden der stadtgeschichtlichen Forschungsreihe. Ein sorgsamer Umgang mit der deutschen Sprache war ihm dabei immer eine Herzensangelegenheit. Sein Credo: „Erst die Sprache schafft die Voraussetzung, sich mit einem Land und seiner Kultur zu identifizieren.“ 2012 wurde ihm die Ehrenmitgliedschaft im VDS angetragen. 

1990 trat Prof. Böhmer in die CDU ein und wurde rasch zu einem der prägenden Köpfe der ostdeutschen Christdemokratie. Mit seiner besonnenen und integrativen Art gelang es ihm, das Vertrauen vieler Menschen zu gewinnen. 1990 wurde er Mitglied des Landtags von Sachsen-Anhalt. Er verstand es, auch in schwierigen Zeiten Brücken zu bauen und verschiedene gesellschaftliche Gruppen zusammenzuführen. Im Mai 2002 wurde Wolfgang Böhmer zum Ministerpräsidenten des Landes Sachsen-Anhalt gewählt. Dieses Amt füllte er bis zum Frühjahr 2011 aus.

Wolfgang Böhmer verstand es, auf die Sorgen und Nöte der Menschen einzugehen. Seine Persönlichkeit war von Bescheidenheit, Standhaftigkeit und Menschlichkeit geprägt; er war ein Mann des Ausgleichs und der leisen, aber sprachlich und rhetorisch fundierten Töne. Sein Führungsstil war von Sachlichkeit, Empathie und einem offenen Ohr für die Bürger geprägt. Er suchte stets das Gespräch mit den Menschen im Land, besuchte Unternehmen, Schulen und soziale Einrichtungen, um sich ein Bild vor Ort zu machen. Er setzte sich für die Modernisierung der Hochschulen und den Ausbau der Forschung ein und legte damit den Grundstein für das heutige Profil Sachsen-Anhalts als Wissenschaftsstandort. Auch die Verbesserung der Infrastruktur und die Unterstützung des Mittelstands standen im Fokus seiner Politik.

Mit Wolfgang Böhmer verliert die Medizin einen klugen Arzt, der VDS einen wichtigen Fürsprecher in der hohen Politik und das Land Sachsen-Anhalt einen großen Landesvater. Sein Vermächtnis wird weiterwirken – als Ansporn, Brücken zu bauen, Verantwortung zu übernehmen und sich mit Herz und Verstand für das Gemeinwohl einzusetzen.

Text und Foto: Jörg Bönisch