Auf den Spuren der Rechtssprache

In Reppichau wird das Andenken an Eike von Repgow liebevoll in Ehren gehalten

Skulptur Eike von Repgows und Handsiebdrucke mit Motiven aus dem Sachsenspiegel im Vorraum der Dorfkirche

Bereits vierhundert Jahre bevor die Fruchtbringende Gesellschaft unter Vorsitz von Fürst Ludwig I. von Anhalt-Köthen (1579 - 1650) wirkte, schrieb Eike von Repgow (geboren um 1180, gestorben ungefähr 1234) im anhaltischen Reppichau Rechts- und Sprachgeschichte. Er verfasste den Sachsenspiegel, eine Niederschrift des sächsischen Gewohnheitsrechts und mündlicher Überlieferungen in lateinischer Sprache. Latein war zu jener Zeit die Schriftsprache des Rechtsverkehrs, wenn auch vor Gericht die deutsche Rechtssprache und Rechtsformel angewendet wurden. Mit der Übersetzung ins Deutsche schuf der anhaltische Ritter das älteste und bedeutendste Rechtsbuch aller Zeiten und das erste Prosawerk in deutscher Sprache, aus dem über 700 Jahre die deutsche und teilweise auch mittel- und osteuropäische Rechtsprechung abgeleitet wurde. Die Andenken an Eike von Repgow und an den Sachsenspiegel werden in Reppichau von einem Förderverein mit einem einzigartigen Kunstprojekt lebendig gehalten. 

Den Besuchern werden entlang der Straßen und auf Plätzen anhand von schmucken Fassadenbemalungen und beeindruckenden Metallkunstplastiken mittelalterliche Anwendungen des Land- und Lehnrechts bildhaft vermittelt. Als Vorlagen dienten Motive aus den vier noch erhaltenen Heidelberger (1300), Oldenburger (1336), Dresdner (1350) und Wolfenbüttler (1375) Bilderhandschriften des Sachsenspiegels. Dargestellt sind das Bau-, Erb-, Nachbarschafts-, Straf-, Verfassungs-, Vereins- und Witwenrecht. Im Eike von Repgow-Museum werden Faksimiles dieser prachtvollen Originale ausgestellt. In der Dorfkirche sind in einer Dauerausstellung 21 Handsiebrucke mit Motiven aus dem Sachsenspiegel zu sehen, im Kirchpark vermitteln Metallplastiken christliche Inhalte. Ein ausgedientes Feuerwehrhaus wurde zum ganzjährig geöffneten Informationszentrum umgebaut. Dort ist ein Rittersaal der Zeit Eike von Repgows nachempfunden. Ein mittelalterlicher Gerichtsplatz mit Burganlage fehlt genauso wenig wie eine thematisch gestaltete Gaststätte „Zur Morgengabe“. 

Um 1220 schrieb Eike von Repgow das Gewohnheitsrecht der Sachsen nieder. Die Urschrift in Latein und die deutsche Erstschrift sind verschollen. Die auf Bitten seines Lehnsherrn, des Grafen Hoyer zu Falkenstein, entstandene deutsche Übersetzung fand breite Beachtung. Der Sachsenspiegel hat im Norden zu einer gewissen Rechtseinheit geführt, aber auch nach Süden drang er vor. Hier fand das Recht mit dem Schwabenspiegel, der größtenteils auf dem Sachsenspiegel fußt, seine Verbreitung. Obwohl der Sachsenspiegel das Sonderrecht der Städte nicht berücksichtigte, wurde er doch in den Städten ausgiebig benutzt. Beispielsweise wurden in das Magdeburg-Breslauer Recht eine Reihe von Passagen aus dem Sachsenspiegel wörtlich übernommen. 

Der Sachsenspiegel ist das erste Prosawerk in niederdeutscher Sprache. Dabei bemühte sich Eike von Repgow um eine einfache und verständliche Ausdrucksweise, da er dieses Buch ausdrücklich für das Volk schrieb, nicht für Gelehrte. Der Verfasser benutzte gereimte Versformen und übernahm Rechtssprichwörter seiner Zeit. Ebenso vermied er schwer verständliche mundartliche Wörter und Formulierungen. Beredtes Zeugnis ist beispielsweise der Spruch „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“, der noch heute sehr verbreitet ist. Auch durften sagenhafte Ausschmückungen zu jener Zeit nicht fehlen. Denn die Poesie, die märchenhaften Einschläge und die schalkhafte Einflechtung von Schwänken sind wesentliche Züge dieses volkstümlichen deutschen Rechtsbuches. Für den Erfolg spricht auch, dass in Anhalt, Thüringen und Holstein der Sachsenspiegel erst 1900 durch das Bürgerliche Gesetzbuch abgelöst wurde. Dennoch gründen sich im heutigen deutschen Recht noch immer viele Rechtsnormen auf den Sachsenspiegel.

Weitere Informationen unter: www.reppichau.de

Text und Fotos: Jörg Bönisch